Erfolgsgeschichte einer Selbstorganisation / Ein Essay von Dan Dansen
Anträge schreiben, Emails checken und beantworten, netzwerken, Bewerbungen schreiben, Projekte koordinieren, Ausstellungen und Screenings organisieren, Werbung schreiben und versenden, Freund:innen fragen, ob sie mich unbezahlt beim Aufbau unterstützen, Filme bei Festivals einreichen und dafür im Regelfall auch noch Geld bezahlen. Ach ja, und dann mache ich nebenbei auch noch Kunst. So in etwa müsste die eigentliche Arbeitsbeschreibung von Künstler:innen lauten. Ob ich mich mit diesem Wissen auf den Job beworben hätte? Keine Ahnung, vielleicht hätte ich es trotzdem gemacht. Wegen der Leidenschaft und so.
Dass mein Arbeitsalltag gefühlt aus 80% Bürokratie besteht, war nicht Teil meiner Vorstellung des romantischen Künstlerinnen-Daseins. Der neoliberale Kapitalismus zwingt uns dazu, zu Unternehmerinnen unserer Selbst zu werden und das geht auf Kosten der Qualität der künstlerischen Arbeit. Kunst mache ich gefühlt und real an Weihnachten, Ostern, anderen Feiertagen oder in meiner Freizeit. Von der Kunst leben können nicht viele Künstler:innen, und die, die es können, leben eher prekär.
Als freischaffender Künstler ist es für mich deshalb zentral, gut vernetzt zu sein. 2021 wurde ich durch dieses Netzwerk eingeladen, bei der Ausstellung ‚Walking Through the Woods‘ auszustellen, organisiert vom Verein Atelierhaus Australische Botschaft (Ost). In dieser Ausstellung wurde ich Teil eines großen Netzwerks von Künstler:innen und Kurator:innen, die eine selbstorganisierte Ausstellung auf die Beine gestellt hatten, die erfolgreich und mit großem Publikumsanklang durchgeführt wurde. Im Kontakt mit den Organisator*innen kam für mich die ernüchternde Erkenntnis: Auch der Alltag von Kurator:innen der Freien Szene bewegt sich gefühlt weniger um den Inhalt der Kunst sondern mehr um die Bürokratie, die den Inhalt finanziell ermöglichen soll.
Eigentlich war das keine neue Erkenntnis, aber desillusionierend war es doch. Es schreibt sich fort, was im Alltag der Künstler:innen real ist: Nur jahrelanges unentgeltliches Engagement und der Zusammenhalt der Künstler:innen-Community haben dafür gesorgt, dass diese Ausstellung entstehen konnte. Und das, obwohl die Ausstellung ‚Walking Through The Woods‘ (21. – 31.10.2021) sogar recht gut aufgestellt war, was Förderung angeht, so dass ein kleines Honorar für die beteiligten Künstler:innen, sowie einiges an Materialkosten und Reisekosten gedeckt werden konnte. Dennoch musste noch viel unbezahlte Arbeit in das Projekt fließen, so dass es verwirklicht werden konnte.
So kommt in mir manchmal die Frage auf: Können eigentlich nur Kinder reicher Eltern Kunst machen? Und was ist mit denen, die nicht über privilegierte Voraussetzungen verfügen? Oder mit denen, die nicht so hart im Nehmen sind, dass sie ein Entlangschrammen am Burn-Out zwischen ehrenamtlicher Arbeit und Job mal eben wegstecken können?
Gegen die Prekarität hilft nur Vernetzung: Gleichgesinnte finden und gemeinsam Dinge zu stemmen. In die Ausstellung ‚Walking Through the Woods‘ wie auch in das Nachfolgeprojekt ‚Sounds of Water‘ sind viel Herzblut und vor allem unbezahlte Arbeit geflossen. In durchgearbeiteten Nächten, in der Freizeit neben den Brotjobs und natürlich an Wochenenden. Anträge wurden geschrieben und auf Bezirks-, Landes- und Bundesebene, bei Stiftungen und privaten Förderanstalten eingereicht. Im Kontakt mit den Kuratorinnen lerne ich: Wie in der Kunstproduktion besteht das Kurator:innen-Dasein auch darin, sich nicht von Ablehnungen entmutigen zu lassen und trotzdem weiterzumachen. Und: Hartnäckigkeit und Geduld sind die Tugenden der Stunde. Das Anträge schreiben für ‚Sounds of Water‘ hat dazu geführt, dass es ein kleines Budget durch private Stiftungen gab, so dass immerhin die Miete und die anderen unumgänglichen Kosten gedeckt waren. Sonst wäre die Realität gewesen: Dafür bezahlen, eine Ausstellung zu organisieren. Denn Eintritt zur Ausstellung ist auf Spendenbasis, um einen freien Zugang für alle zu Kunst zu ermöglichen. Eine Selbstverständlichkeit hinter die die Organisator:innen auch im Angesicht der kaum bezahlten Arbeit nicht zurücktreten wollen.
‚Sounds of Water‘ – Ein interdisziplinäres Kunstfestival
Leises Wassertropfen, Meeresrauschen, Walgesänge – ‚Sounds of Water‘ ist ein Kunstfestival, das dazu einlädt in die Welt rund um das Thema Wasser einzutauchen. Raumgreifende Installationen, Bilder, Objekte, Video- und Soundart bilden den Rahmen und die Klangkulisse des interdisziplinären Festivals. Die Ausstellung wird von einem facettenreichen Festivalprogramm mit Performances, Lesungen, Konzerten, Meditation, Wutao (Bewegungskunst) u.v.m. begleitet. Sogar ein Pool ist Teil der Ausstellung, in dem Workshops zu Aguahara (aquatischer Körperarbeit) stattfinden.
‚Sounds of Water‘ ist das Folgeprojekt von ‚Walking Through The Woods‘ – das 2021 mit großem Publikumserfolg zum Thema Wald in den Kulturkapellen in Berlin-Mitte stattfand. In Zeiten akuter Klimakrise ist es uns mit diesen Projekten ein Anliegen, mithilfe der Kunst für Naturelemente und einen ressourcenschonenden Umgang mit unserer Umwelt zu sensibilisieren.
Organisiert wird das Kunstfestival von der Ateliergemeinschaft Australische Botschaft (Ost) im Kleinen Wasserspeicher, nahe des Wasserturms in Prenzlauer Berg. Die Ausstellung findet vom 19. bis 28. August 2022 statt und ist täglich von 15 bis 20 Uhr geöffnet.
‚Sounds of Water‘ wird realisiert in Kooperation mit der ForumFactory und artspring berlin.
Eine Ausstellung von Roger Alsop, Mona Babl, Sabine J. Bieli, Dan Dansen, Marion Ehrsam, Hans Fromm, Chrysanthi Goula, Adrian Gutzelnig, Bettina Hindes, Anh-Maka, Julia Marié, Anja Matzke, Sandy La S. Schwermer, Alexander Siebenstern und Jolanda Todt. Mit weiteren Beiträgen von Julia Bauer, Nana Ehrsam, Andreas Levisianos und Dimitra Kandia, Melaine MacDonald, Alexander Nieswand und Iljà Pletner, Santrra Oxyd, Alexander Seeger, Lea Schmidt, Madlen Stange und Steffi Weismann. Kuratiert von Simona Doletzki und Marion Ehrsam
Mehr Informationen zur Ausstellung: Sounds of Water 2022