»Moving Female Sculptures« / Birgit Szepanski
Wie könnte Berlin aussehen, wenn Künstlerinnen wie Renée Sintenis, Sophie Wolff und Christa Winsloe großformatige Skulpturen im Stadtraum hätten realisieren können? Sie haben die Berliner Moderne in den 1920er Jahren entscheidend mitgeprägt und trotzdem sind ihre Werke verhältnismäßig wenig an öffentlichen, repräsentativen Orten zu sehen. So etwa befindet sich z.B. die Skulptur »Stehender Bär« von Sintenis, die nach ihrem Tod in Bronze gegossen wurde, auf dem Mittelstreifen der Autobahn an der Stadtgrenze Berlins. Wie präsent aber wäre das Werk der Künstlerin heute, wenn sie am Steinplatz vor der Universität der Künste stünde? Ihre Sichtbarkeit und die Relevanz der Künstlerin als eine Wegbereiterin der Moderne würde sich radikal ändern, meint die Künstlerin und Kunstwissenschaftlerin Birgit Szepanski.
Sie trieb um, dass es viel weniger Literatur zu Stadterfahrungen und Urban Studies aus weiblichen Perspektiven gibt. So begannen ihre Recherchen zu einer »Female City« bei Kiez-Spaziergängen u.a. in Lichtenberg und Pankow. Dort fielen ihr zunächst Skulpturen auf, die während der DDR entstanden waren. Beispielsweise das Skulpturenensemble »Erben der Spartakuskämpfer« (1987) von Emerita Pansowová an der Frankfurter Allee. Eine der Frauenfiguren wurde im Laufe der letzten Jahre mehrmals umgeworfen, Teile zerbrachen, die wieder renoviert wurden. Szepanski schildert ihre Eindrücke: »Die gekitteten Stellen, die ich vor Ort an der Skulptur sah, ähnelten Nähten, die ihren steinernen Körper durchziehen. Jemand hatte mit grüner Farbe einen länglichen Fleck zwischen die Beine der Skulptur gesprüht hat, was aussah wie ein phallisches Symbol. Im Laufe meiner Walks entdeckte ich noch andere weibliche Skulpturen, die mich interessierten.«
Ein Recherchestipendium des Berliner Senats ermöglichte Birgit Szepanski ihre Studien über Bildhauerinnen in Ostberlin, die weibliche Figuren im öffentlichen Raum geschaffen haben, zu vertiefen: »Ich fand den Aspekt der DDR-Skulpturen spannend, öffentliche Räume wie Parks, Wiesen zwischen Häusern mit figurativen Skulpturen zu gestalten: Wie ein zweites, teilweise weibliches Stadtpersonal; wobei auch hier die Bildhauerinnen in der Minderheit waren. Ich ging viel in Pankow spazieren und suchte die Skulpturen auf, machte Fotos und künstlerische Arbeiten zu ihnen.«
Zu ihrem neusten, urbanen Projekt mit dem Titel »Moving Female Sculptures«, das durch »Stadt findet Kunst« und dem Kulturamt Charlottenburg-Wilmersdorf gefördert wurde, legt sie nun eine Publikation vor. Darin beschäftigt Szepanski sich mit Bildhauerinnen der ›ersten Generation‹ wie Emy Roeder und Renée Sintenis, Louise Stomps und Jenny Mucchi-Wiegmann, Christa Winsloe und Tina Haim-Wentscher und Sophie Wolff und macht sie an ihren Lebens- und Arbeitsorten in Berlin-Charlottenburg sichtbar. In vier performativen Lectures (2023) wurden Skulpturen dieser heute wenig präsenten und teilweise vergessenen Bildhauerinnen der 1920er Jahre vorgestellt. Die Publikation soll einladen, sich als Stadtbewohner:in auf den Weg zu den Stationen zu machen und Stadt unter einer anderen Perspektive zu erleben.
»Moving Female Sculptures« (erschienen im Helene Nathan Verlag, 2023)
Buchvorstellung mit Birgit Szepanski
»Info on Books« im Café Babette
15.2.2024
ab 20.00 Uhr
Am Sudhaus 3
12053 Berlin