Für Ateliers! Aufruf von Stefka Ammon

Meldung aus dem Exil

Wenn man mich fragt, wer ich sei, dann beginne ich meine Vorstellung gerne mit der Bezeichnung Wirtschaftsmigrantin aus dem Prenzlauer Berg. Ich liebe mein neues Leben hier „unten“ in Köpenick. Seit meinem Umzug 2018, haben ganz andere Dinge mein Leben bereichert (natürlich hatte ich nach 21 Jahren im Prenzlauer Berg als Wessi-Weißensee-Absolventin einiges an Ängsten beim Umzug hierher). Mit der Migration meiner Kleinfamilie nach Treptow-Köpenick, bin ich in erster Linie bloß der – je nach Sichtweise: mutigen oder verzweifelten – Vorhut von Kolleg:innen hinterher gezogen, die bereits in der (ich nenne es jetzt mal: ersten) Verdrängungswelle von Arbeitsräumen hier Ateliers und teilweise Wohnraum gefunden haben.

Wenig überraschend war ich demnach nicht die erste, die die Vorzüge eines viel entspannteren grüneren und luftigeren Lebens und Arbeitens hier schätzen gelernt hat. Die Investor:innen haben das schon vor gut 10 (ach was: 20!) Jahren bemerkt und kauften im großen Stil hier Industriebrachen auf. Prima Steuersparmodelle. Die sollen nun entwickelt werden. Und jetzt sind hier hunderte von Ateliers, wenn nicht sogar akut, so doch mittelfristig bedroht.

Das Glück hier in Treptow-Köpenick ist, dass ich schnell sowohl alteingesessene „Ost“-Kolleg:innen als auch jüngere Künstler:innen kennengelernt habe, und dass wir uns unfassbarer Weise tatsächlich vernetzt haben. Es hat sich ein Netzwerk Ateliergemeinschaften Treptow-Köpenick (NWAGTK) gegründet, wir haben Workshops mit Politiker:innen und Mitarbeiter:innen der verschiedenen Verwaltungen (Kultur, Stadtentwicklung, Wirtschaftsförderung, Bau…) veranstaltet und sind wild entschlossen das Terrain nicht aufzugeben.

Und so möchte ich euch Kolleg:innen da oben „in der Stadt“ (wie man hier manchmal aus Versehen sagt) zurufen: wir erreichen nur etwas, wenn wir uns alle zusammentun! Wir können uns zwar immer auf die Schultern klopfen, wenn einzelne und akut bedrohte Ateliergemeinschaften sich zusammenraufen und den Aufstand proben, Aktionen starten, die Politik in die Pflicht nehmen und manchmal damit durchaus erfolgreich sind. Aber wenn immer nur Feuerwehr gespielt wird, um bestenfalls einzelne Standorte zu sichern, dann ist das in etwa so, als wenn – um beim traurigen Bild zu bleiben – einzelne Brandherde gelegentlich gelöscht werden, aber die strukturellen Herausforderungen für großflächige Brände immer die gleichen bleiben, und schlimmstenfalls Politiker:innen und Verwaltungen das Gefühl haben, ja bereits alles zu tun und/oder Investor:innen sich mit ihren kulturell aufgewerteten Immobilien noch mehr Mieteinnahmen ausrechnen.

Leute! Wir müssen uns alle in allen Bezirken zusammentun! Wir müssen uns vernetzen! Wir müssen uns für nachhaltigere Strukturen einsetzen. Wir müssen tatsächlich auch vermitteln, was wir mit unseren Arbeitsplätzen in den Kiezen für zivilgesellschaftlichen Zusammenhalt leisten und wie wir diese bereichern! Wir müssen erklären, dass die niedrigschwelligen kulturellen Angebote im Umland bald attraktiver als die in Berlin sind, dass Offene Ateliers in einigen Jahren vermutlich nur noch in Frankfurt/Oder, Wriezen, Forst oder Baruth stattfinden. Weil einfach niemand von uns mehr hier sein kann. Und die, die es sind, soviel „anschaffen“ gehen müssen, damit sie ihre Ateliers halten können, dass sie kaum noch zu ihrer Arbeit, ganz zu schweigen von weiterem Engagement, kommen.

Das Atelierförderprogramm kann nur ein Teil der strukturellen Förderung sein. Wir brauchen jetzt wirklich einen Neustart. Und den können wir nur selber herbeiführen. Wir sind ein echter Wirtschaftsfaktor (und dabei meine ich nicht den ersten und den zweiten Kunstmarkt, auf dem die Inverstor:innen, die uns durch die Wertsteigerung ihrer Immobilienportfolios vor sich herjagen, um dann Teile ihrer Gewinne in Kunst zu INVESTIEREN). Wir schaffen ganz andere Mehrwerte. Und die müssen wir verteidigen. Ich wünsche uns allen, dass wir begreifen, was nicht nur für uns und unsere Stadt, sondern auch für die Stadtgesellschaft auf dem Spiel steht. Und dass wir die Initiative ergreifen – mit einander und füreinander.

Wenn wir hier in Treptow-Köpenick so weiter machen, dann werdet ihr bald von uns hören und dann solltet ihr dabei sein und eure Bezirkspolitiker:innen mitnehmen, wenn wir dann alle gemeinsam mit dem Senat und ja: mit Investor:innen neue Wege finden.

Jep! So wird es werden!

Grüße aus Köpenick!

Foto: Veronika Wagner, 2021 Workshop Salon #4 Raumverstehen mit KIM, NWAGTK und Politiker:innen und Verwaltungsmitarbeiter:innen aus Bezirk und Land, BBK u.v.m. in den Treptow-Ateliers

Mehr Informationen: post (at) stefka-ammon.de

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